Abstand halten, Masken nutzen, Hände waschen: Mit einfachen Maßnahmen hat die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland eine dramatische Ausbreitung des COVID-19-Virus verhindert. Einschränkungen, die den privaten und beruflichen Alltag stark beeinträchtigt haben, können daher Zug um Zug gelockert werden. Nun soll die Corona-Warn-App die Lockerungen unterstützen.
Doch auch wenn Restaurants wieder geöffnet sind und Urlaubsreisen möglich: Die Ansteckungsgefahr bleibt. Solange es keinen Impfstoff oder wirksame Medikamente gibt, bleibt das Risiko, schwer zu erkranken oder sogar an COVID-19 zu sterben, hoch. Die Corona-App soll nun entscheidend dazu beitragen, Infektionsketten frühzeitig zu erkennen und zu unterbrechen.
Die Idee hat eine bestechende Logik. Mehr als 95 Prozent der Deutschen im Alter zwischen 14 und 49 Jahren nutzen ein Smartphone. Auch bei älteren Menschen sind die leistungsstarken tragbaren Kleinstcomputer weit verbreitet. Warum also nicht die allgegenwärtigen Smartphones im Kampf gegen Corona nutzen?
Datenschutz hat Vorrang
Bedenken kamen schnell und fundiert. Weil ein Tracking oder Tracing eine Überwachung der Bürger bedeuten würde, die weder juristisch vertretbar wäre noch von ihnen akzeptiert würde. Die intensive Diskussion über die Funktionsweise der Corona-App kam deshalb zu einem eindeutigen Schluss: Selbst wenn es um den Schutz der Gesundheit und den Kampf gegen eine Pandemie geht, hat der Datenschutz Vorrang zu haben. Es muss ausgeschlossen sein, dass mit einer solchen App persönliche Daten gesammelt werden – selbst wenn diese Daten für Virologen und Epidemiologen hilfreich und sogar volkswirtschaftlich nützlich wären.
In der Konsequenz bedeutet das, dass die App dezentral arbeitet, also keine personenbezogenen Daten an eine zentrale Stelle überträgt. Weder über Alter oder Geschlecht noch über Ort oder Uhrzeit. Alle Daten bleiben auf dem Handy selbst gespeichert. Apple und Google haben in ihren Betriebssystemen die notwendigen Voraussetzungen geschaffen. SAP und Telekom haben die App entwickelt, beraten durch die Fraunhofer-Gesellschaft und das Helmholtz-Zentrum CISPA. Im Interesse größtmöglicher Transparenz ist der komplette Programmcode auf der Entwicklerplattform GitHub offengelegt.
Anstatt die Daten auf einem zentralen Server zu sammeln, generiert die App für das betreffende Handy einen individuellen anonymen Schlüssel. Er ist die Grundlage für ständig wechselnde Kennungen, die das Smartphone energieeffizient über Bluetooth LE aussendet und empfängt. Damit kann sich die App Begegnungen mit anderen Handys im nahen Umfeld merken. Vorausgesetzt natürlich, auf den anderen Handys ist auch die App installiert.
Freiwillig teilnehmen und weitermelden
Wer positiv getestet wird, meldet diese Tatsache freiwillig und sicher mit Hilfe eines Codes, den das Gesundheitsamt vergibt, über die App an einen zentralen Server. Damit wird der individuelle Schlüssel als infiziert markiert – eine anonyme Information, die jeder Nutzer abrufen kann.
Die App wiederum rekonstruiert dezentral, ob eine bei einer Begegnung empfangene Kennung zu einem als infiziert gemeldetem Schlüssel passt. Um dann den Nutzer über eine problematische Begegnung zu warnen und Handlungsempfehlungen zu geben. Darum haben sich bisher die Gesundheitsämter gekümmert, händisch, basierend auf Erinnerungen der Betroffenen. Eine mühsame und ausgesprochen lückenhafte Vorgehensweise – denn wer kann sich schon an eine zufällige Nähe an der Straßenbahnhaltestelle, im Geschäft oder auf dem Weg von A nach B erinnern, geschweige denn mit Name und Telefonnummer der Betroffenen dienen?
Unsere Smartphones sollen uns über mögliche Gefährdung warnen. Das ist der einzige Sinn und Zweck der Corona-Warn-App. Klar sein muss jedoch: Dieses System kann nur dann hilfreich sein, wenn möglichst viele Menschen es nutzen. Laut einer Studie der Universität Oxford lässt sich die Reproduktionszahl unter 1 und damit das Virus unter Kontrolle halten, wenn 60 Prozent einer Bevölkerung mitmachen und den von der App vorgegebenen Empfehlungen folgen. Meinungsumfragen im Vorfeld des Starts lassen hoffen, dass eine ausreichende Akzeptanz in Deutschland erreichbar ist.
Die Corona-Warn-App steht seit dem 16. Juni 2020 im Apple Store und Google Play Store kostenlos zum Download bereit.
Ein Video auf der Seite der Bundesregierung erklärt die wichtigsten Schritte der Corona-Warn-App.