Schlüsselwort „Gatekeeper“
Mit den großen Internetkonzernen und dem Gesetzgeber war es lange so wie mit dem Hasen und dem Igel. Kommt der eine endlich angehechelt, ist der andere längst schon da. Zu schnell vollzieht sich die Entwicklung im heiß umkämpften Markt der digitalen Medien, als dass eher träge Aufsichtsgremien damit Schritt halten könnten. Aber damit soll nun in der EU Schluss sein.
Ende März haben sich Europa-Parlament und Ministerrat in Brüssel auf den Digital Markets Act (DMA) und damit auf ein europaweites Gesetz zur Regulierung digitaler Märkte geeinigt. Es richtet sich nicht an die Betreiber kleiner oder größerer Webseiten oder gar deren Besucher, sondern explizit an die ganz großen Player im digitalen Markt: Suchmaschinen wie Google, Netzwerke wie Facebook, Messenger-Dienste wie WhatsApp, Marktplätze wie Amazon, Sprachassistenten wie Siri oder Alexa. Das Ziel: einen Missbrauch von Marktmacht zu unterbinden, der den freien Wettbewerb behindert, Innovationen erschwert und die Handlungsfreiheit der Verbraucher einschränkt.
Schlüsselwort „Gatekeeper“
Unter das Gesetz fallen die Großen der großen Internet-Konzerne: Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung ab 75 Milliarden Euro, die zudem eine sogenannte Gatekeeper-Funktion ausüben. Damit sind Internet-Plattformen angesprochen, wenn das verantwortliche Unternehmen
- eine starke wirtschaftliche Position mit erheblichen Auswirkungen auf den europäischen Binnenmarkt hat und in mehreren EU-Ländern vertreten ist,
- eine starke Brückenfunktion ausübt, indem es viele Nutzer mit vielen Unternehmen verbindet,
- und fest im Markt etabliert und langfristig stabil ist.
Das Gesetz verpflichtet diese Gatekeeper in Zukunft dazu,
- Dritten die Zusammenarbeit mit ihnen unter bestimmten Zuständen zu erlauben,
- gewerblichen Nutzern den Zugriff auf die eigenen Daten zu gestatten,
- Werbetreibenden eine eigene, unabhängige Überprüfung der Webemaßnahmen zu ermöglichen,
- und Nutzern zu gestatten, ihr Angebot zu bewerben und Verträge mit Kunden außerhalb der Gatekeeper-Plattform zu schließen.
Umgekehrt verbietet das Gesetz unter anderem, dass ein Gatekeeper
- auf seiner Plattform die eigenen Produkte und Leistungen gegenüber ähnlichen, die Dritte auf der Plattform anbieten, in der Reihenfolge bevorzugt,
- Verbraucher daran hindert, sich an Unternehmen außerhalb der Plattform zu wenden
- und Nutzer daran hindert, vorinstallierte Software oder Apps auf eigenen Wunsch zu deinstallieren.
Konkret bedeutet das zum Beispiel, dass Unternehmen wie Apple oder Google die Nutzer nicht an ihre App-Stores fesseln dürfen, dass Marktplätze wie Amazon Kundendaten von Händlern nicht zum eigenen Vorteil nutzen dürfen und dass Anbieter von Messengern ihren Nutzern den Wechsel zu einem anderen Dienst erleichtern müssen.
Verstöße gegen dieses Gesetz können drastische Strafen nach sich ziehen. Sie reichen von Geldbußen von bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes über Zwangsgelder von bis zu 5 Prozent des durchschnittlichen Tagesumsatzes bis hin zu der Anordnung, Geschäftsbereiche zu verkaufen.
Mehr Flexibilität für den Nutzer
Als Anbieter des Messengers ownChat begrüßen wir dieses Gesetz ausdrücklich. Es ist allgemein bekannt, dass viele vermeintlich kostenlose Apps das Nutzerverhalten ausspähen, um die gesammelten Daten zu nutzen oder zu verkaufen. Der Messenger WhatsApp greift sogar auf das Adressbuch der Nutzer zu, ohne dass die dort gespeicherten Kontakte, Bekannten oder Freunde dies wissen oder sich dagegen wehren können.
Gleichzeitig wird aber der Wechsel zu einem sicheren und sauberen Messenger erschwert, weil er bisher auch den Wechsel der anderen Teilnehmer zu einem neuen Dienst erfordert. Hier sieht das Gesetz bessere Zusammenarbeit mit alternativen Diensten, sprich dienste-übergreifende Kommunikation vor. Das Ziel ist mehr Freiheit und Flexibilität für die Nutzer.
Beachtlich ist das Tempo, mit dem die EU dieses Gesetz vorangetrieben hat. Sie wird damit weltweit zum Vorreiter im Bemühen um mehr Transparenz und Wettbewerb in der von großen Konzernen beherrschten digitalen Welt. In den USA befindet sich ein ähnlicher Vorstoß noch in der Diskussionsphase.
Die offizielle Bestätigung des Gesetzes durch das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten gilt als gesichert. Es wir damit voraussichtlich Anfang kommenden Jahres in Kraft treten.